Dienstag, 17. April 2012

Reisende Tiere - Freunde und Helfer


Reisende Tiere haben eine lange Geschichte. Sehr wahrscheinlich wurden unsere nomadischen Vorfahren von Hunden begleitet, die ihnen bei der Jagd halfen, die Lager bewachten und ihnen Gesellschaft leisteten. Hunde verstanden sich als Teil eines Rudels, in dem jeder seinen Platz und seine Aufgabe hatte. Katzen erschienen wohl erst, nachdem der Mensch sesshaft geworden war. Sie sahen und sehen sich nicht als Gehilfen des Menschen, auch nicht als Teil einer Gruppe. Sie waren und sind davon überzeugt, dass der Mensch nur existiert, um ihnen das Leben zu angenehm zu machen. Sie jagten Nagetiere, schliefen ausgiebig am Feuer und erlaubten den Menschen, sie zu verehren. Im Großen und Ganzen hat sich bis heute nicht viel verändert.

Als die Menschen begannen, miteinander Handel zu treiben, oder später, die Welt zu entdecken, benutzte man Tiere als Transportmittel, oder als wanderndes Abendessen. Dies sind nicht die Tiere, von denen ich hier erzählen möchte. Ich möchte Ihnen ein paar Tiere vorstellen, die Reisende als nützliche Helfer, Begleiter und Freunde mitnahmen.

Hatch

Hunde und Katzen waren immer schon auf Schiffen zu finden, als Maskottchen oder um die Ratten aus dem Proviant zu jagen. Auf den ägyptischen Schiffen fuhren Hunde mit, die bei der Jagd an den Nilufern halfen, sowie Katzen, die Mäuse und Ratten fingen und (völlig zu Recht, wie sie selbst fanden) als heilig galten. Auch die Griechen wurden von Hunden begleitet, einerseits als Jagdhelfer, andererseits auch als Haustiere. Von den Wikingern wissen wir, dass sie die riesigen Wolfshunde aus Irland mitbrachten. Über Katzen an Bord der Drachenschiffe liest man nichts, aber es ist anzunehmen, dass, wenn eine Katze eine Fahrt auf einem Wikingerschiff machen wollte, sie das auch tat.

Der früheste bekannte Schiffshund wurde gefunden, als die Tudor-Karacke Mary Rose 1982 gehoben wurde. Das fast vollständige Skelett eines kleinen Hundes wurde in der Nähe des Eingangs zur Werkstatt des Schiffszimmermannes gefunden. Es handelte sich um eine Schiebetür, und vielleicht wurde das arme Tier darin eingeklemmt, als das Schiff 1545 Schlagseite bekam und sank. Das Tier war eine gesunde Hündin, etwa 18 Monate alt. Sie könnte das Schiffs-Maskottchen gewesen sein, oder der Hund des Zimmermanns. Auf jeden Fall wird sie sich beim Fang der reichlich vorhandenen Ratten bewährt haben. Die Archäologen tauften sie „Hatch“; sie ist wahrscheinlich der älteste, bisher gefundene Schiffshund. Sie wurde auf der Cruft’s Dog Show ausgestellt und bekommt im neuen Mary Rose Museum in Portsmouth einen Ehrenplatz.

Cooks Ziege

Ein Tier, welches mehr Glück bei der Seefahrt hatte, war die Ziege, die zuerst Samuel Wallis und dann Cook auf ihren Weltumsegelungen begleitete. Cook lag die Gesundheit seiner Mannschaft am Herzen, und er hoffte durch die Ziegenmilch die Skorbut zu besiegen. Das Tier war eine erfahrene Reisende, da sie zuvor schon Captain Samuel Wallis auf seiner Weltumsegelung 1766 begleitet hatte. So fuhr sie also ein zweites Mal um den Globus, dieses Mal auf der Endeavour, mit der Cook in die Südsee segelte, um auf Tahiti einen Venus-Durchgang vor der Sonne zu beobachten. Als er 1771 zurückkehrte, wurde das Tier von der Admiralität in den Ruhestand geschickt und genoss bis zu ihrem leider frühen Tode „gute englische Weide“. Dr. Samuel Johnson, der ein Freund von Cooks Botaniker Sir Joseph Banks war, schrieb ein elegantes Couplet für sie.

Fast so berühmt wie Zeus’ Amme, hat diese Ziege zwei Mal die Welt umrundet. Sie verdient ihres Herrn Liebe und Obhut und hat nun ewige Behaglichkeit und Weide gefunden.

Das lateinische Couplet wurde in ein Halsband graviert und ihr um den Hals gelegt.

Trim

Ein weiteres Tier, dass eng mit der Südsee und Australien verbunden ist, war der berühmte Kater Trim. Er begleitete Capt. Matthew Flinders auf dessen Umsegelung und Kartierung Australiens 1801-1803. Trim wurde 1799 an Bord HMS Reliance geboren, auf einer Reise vom Kap der Guten Hoffnung nach Botany Bay. Das Kätzchen fiel über Bord, aber man warf ihm eine Leine zu, die es „packte wie ein Mann und aufenterte, wie eine Katze“. Flinders und seine Mannschaft schlossen das intelligente und offensichtlich liebenswerte Tier in ihre Herzen. Bald konnte Trim die Takelage schneller entern, als jeder Seemann und kannte sich überall an Bord aus. „Er wuchs zu einem der schönsten Tiere heran, die ich je sah“, schrieb sein stolzes Herrchen, „sein Schweif war lang, groß und buschig, sein Kopf klein und rund – seine Physiognomie drückte Intelligenz und Selbstbewusstsein aus, sein Schnurrbart war lang und anmutig und seine Ohren wunderschön gerundet.“ Er war schwarz, mit weißen Pfoten und einer weißen Brust und sehr selbstbewusst, und aß immer in der Offiziersmesse, wo er auf dem Tisch von Teller zu Teller ging und sein Recht forderte. Am liebsten schlief er in dem Dreispitz eines Offiziers.

Trim begleitete Flinders auf der HMS Investigator und half tatkräftig bei der Kartographierung der australischen Küste. Er überstand mitsamt der gesamten Besatzung 1803 einen Schiffbruch und wurde von HMS Cumberland gerettet. Da an Bord nicht bekannt war, dass England und Frankreich sich im Krieg befanden, lief das Schiff zu Überholungsarbeiten in Mauritius ein. Flinders wurde der Spionage bezichtigt und eingesperrt. Selbstverständlich begleitete Trim ihn ins Gefängnis. 1996 wurde eine Statue von Trim enthüllt, direkt hinter dem Standbild seines Herrchens, bei der Mitchell Library in Sydney. Darunter ist ein Zitat eingraviert:

To the memory of Trim. The best and most illustrious of his race, the most affectionate of friends, faithful of servants, and best of creatures. He made the tour of the globe, and a voyage to Australia, which he circumnavigated, and was ever the delight and pleasure of his fellow voyagers. Written by Matthew Flinders in memory of his cat.

Trim wird oft erwähnt in: Flinders, Matthew. A Voyage to Terra Australis; undertaken for the purpose of completing the discovery of that vast country, and prosecuted in the years 1801, 1802, and 1803 .... With an account of the shipwreck of the Porpoise, arrival of the Cumberland at Mauritius, and imprisonment of the commander during six years and a half in that country. 2 volumes. London, Nicol, 1814. 2 volumes and an atlas.

Um zu illustrieren, wie sehr Seeleute an ihren Tieren, und besonders den Katzen hingen, füge ich hier eine Übersetzung aus Hakluyt’s „Voyages“ an:

„Es begab sich, dass die Schiffskatze ins Meer sprang, und da sie sich darin befand, mutig sich über Wasser hielt und, trotz der hohen Wellen, hinter dem Schiff her schwamm. Als der Kapitän dies bemerkte, ließ er ein Boot mit einem halben Dutzend Männern aussetzen, die etwa eine halbe Meile zurückruderten, um die Katze zu retten. Derweil lag das Schiff beigedreht. Ich glaube kaum, dass man eine solche Eile und Mühe gemacht hätte, wenn einen von uns das gleiche Schicksal ereilt hätte.“

Hakluyt's Voyages. The Principal Navigations, Voyages, Traffiques & Discoveries of the English Nation. Made by Sea or Over-land to the Remote and Farthest Distant Quaters of the Earth at any time within the compasse of these 1600 Yeeres.

Titina

Die Geschichte der Polarforschung ist auch eine Geschichte der Polarhunde. Die meisten von ihnen, die oft heldenhaft arbeiteten und kämpften, lebten kurze, harte Leben. Oft starben sie an Erschöpfung oder endeten als Mahlzeit ihrer Genossen oder Herrchen. Nur selten kennt die Polarforschung auch tröstliche Hundegeschichten. Etwa die von Titina, dem Foxterrier. Umberto Nobile wollte schon den Flug über den Pol mit dem Luftschiff Norge nicht ohne sein Hündchen antreten. Als er zwei Jahre später, 1928, mit der Italia noch einmal den Nordpol überflog, war Titina abermals dabei. Sie durfte zusehen, wie er über dem Pol ein Kreuz des Papstes und die italienische Flagge abwarf. Kurz darauf vereiste die Italia und schlug auf. Nobile wurde mit einem Teil der Besatzung aufs Eis geschleudert. Während sich die Reste des Luftschiffs mit sechs Mann Besatzung auf Nimmerwiedersehen in den Himmel erhoben, tollte Titina auf dem Eis herum. Was folgte, war der internationale Wettlauf um die Rettung, Amundsens Absturz und Tod bei einem Rettungsflug und der Verdacht des Kannibalismus gegen einige Expeditionsteilnehmer. Nobile und Titina aber wurden erfolgreich ausgeflogen, den Rest der Besatzung rettete später ein russischer Eisbrecher. Titina und der Flugpionier hatten überlebt, und der Foxterrier war wohl der einzige Vierbeiner, der zweimal den Nordpol überflogen hatte. Titina starb eines natürlichen Todes. Nobile ließ sein Hündchen ausstopfen. Manchmal wird der tote Foxterrier bei Ausstellungen gezeigt. Sein Präparat ist das einzige Denkmal für jene große Tierfamilie, ohne die die Eroberung der Pole unmöglich gewesen wäre.

Titina ist eine wichtige Figur in diesen beiden Büchern: Nobile, Umberto. In volo alla conquista del segreto polare. (Da Roma a Teller attraverso il Polo Nord). Milano, A. Mondadori, 1928 und Nobile, Umberto. L”'Italia” al Polo Nord. Milano, Mondadori, 1930.

Mrs. Chippy

Wo immer auch Menschen hingehen, früher oder später werden auch Katzen ihre Nasen da hineinstecken. Und so überrascht es eigentlich nicht, dass eine Katze auf Shackletons Endurance nach South Georgia Island mitfuhr. Henry McNeish hatte bei Shackleton als Schiffszimmermann für dessen dritte Reise in die Antarktis angeheuert. Er wurde von einer Katze begleitet, die ihn auf Schritt und Tritt begleitete, wie eine eifersüchtige Ehefrau. Die Mannschaft nannte das Tier daher Mrs. Chippy, da Chippy (von chips, Spänen) der traditionelle Spitzname für Schiffszimmermänner war. Als man bemerkte, dass es sich um einen zählebigen Kater aus Glasgow handelte, war es zu spät: Der Name blieb. Shackleton war froh, Mrs. Chippy an Bord zu haben, denn sie oder er war ein hervorragender Jäger. Er war groß, getigert, mit einem dicken Kopf und prächtigem Schnurrbart, ein ausgeglichener, freundlicher und anhänglicher Kamerad. Er war bei der Mannschaft beliebt, und als sich nach der Abreise aus Buenos Aires ein junger blinder Passagier namens Perce Blackborow and Bord fand, adoptierte Mrs. Chippy ihn. Es gibt ein berühmtes Photo von den beiden, geschossen von Frank Hurley, auf dem der Kater selbstbewusst auf der Schulter des Burschen sitzt, der als Steward angemustert worden war. Während des Reise büßte Mrs. Chippy mindestens eins seiner sieben Leben ein: In den Worten des Tagebuches von Versorgungsoffizier Orde-Lee:

„13. September 1914. Etwas außerordentliches geschah heute Nacht. Die Tigerkatze – Mrs. Chippy – sprang durch ein Bullauge überbord. Der wachhabende Offizier, Lt. Hudson, hörte die Schreie, wendete prompt das Schiff und nahm sie wieder an Bord. Sie muss zehn Minuten oder länger im Wasser gewesen sein.“

Wie wir wissen, nahm die Expedition kein gutes Ende. Die Endurance wurde 1915 vom Eis zerdrückt. Die Mannschaft musste das Schiff aufgeben und konnte nur Überlebenswichtiges mitnehmen. Die Katze hätte die ungewisse Zukunft sicher nicht überlebt und musste eingeschläfert werden. Alle waren untröstlich über den Verlust des guten Kameraden. Sein Freund Perce gab ihm eine Dose mit Sardinen zu fressen, in die Gift eingemischt war. Er rollte sich im Schoß seines Herrchens zusammen, schlief ein und wachte nicht mehr auf.

Der Rest der Geschichte ist bekannt: Der Rückzug auf Elephant Island, die heldenhafte Reise der James Caird (an der auch McNeish teilnahm) und schließlich die Rettung der Mannschaft. Weniger bekannt ist, dass McNeish mürrisch und rebellisch wurde, und es Shackleton nie verzieh, dass dieser seine Katze hatte töten lassen. Er starb vergessen und verarmt 1930 in Wellington, Neuseeland. 1959 errichtete die New Zealand Antarctic Society einen Stein auf seinem bis dahin unmarkierten Grab. Vor einigen Jahren entschloss sich die gleiche Gesellschaft, den Zimmermann und seine Katze wieder zu vereinen. Eine lebensgroße Bronze wurde angefertigt, die Mrs. Chippy in entspannter aber aufmerksamer Haltung zeigt. Sie wurde auf das Grab gesetzt, und so sind die beiden Freunde wenigstens im Tode wieder vereint.

Mehr über diese spannende Expedition in: : Shackleton, Ernest H. South: The Story of Shackleton’s Last Expedition, 1914-1917. London, Heinemann, 1919.

Weltraum-Fliegen

Schließlich begann die Eroberung des Weltraums. Die ersten Lebewesen, die ins All gelangten, waren Fruchtfliegen, die am 20. Februar 1947 an Bord einer erbeuteten V2 Rakete abhoben. Man erhoffte sich Erkenntnisse über den Effekt von Strahlung in großen Höhen. Offiziell wird der Beginn des Alls bei 100 Kilometern über der Erdoberfläche definiert. Die Rakete erreichte 109 km Höhe in 3 Minuten und 10 Sekunden. Die Kapsel mit den Fruchtfliegen löste sich, schwebte an einem Fallschirm zur Erde zurück und die Tiere wurden lebendig geborgen. Ich fände es schön zu glauben, dass sie den Rest ihres kurzen Lebens über einer fauligen Banane schweben durften. Wenn ich mir die traurigen Schicksale der vielen anderen astronautischen Tiere ansehe, habe ich allerdings meine berechtigten Zweifel.

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